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Ein Mann und eine Frau sitzen auf einem Motorrad

Startgutschriften aus Versicherungszeiten vor 2002

Worum geht es?

Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. November 2007 machte es notwendig, die Startgutschriften für die rentenfernen Jahrgänge neu zu regeln. Dabei geht es um den Übergang zwischen den Jahren 2001/2002 und die Umstellung von einem an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Punktemodell beruhendes, beitragsorientiertes Betriebsrentensystem.

Aktueller Stand

Rentennahe Startgutschriften

Der BGH hat mit seinem Urteil IV ZR 134/07 vom 24. September 2008 entschieden, dass die Regelung zur Berechnung der Startgutschriften für rentennahe Jahrgänge (Versicherte, die am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatten) rechtmäßig sind. Im Rahmen der Systemumstellung in der Zusatzversorgung waren die bisherigen Anwartschaften in Versorgungspunkte umzurechnen. Die hierzu von den Tarifvertragsparteien für die rentennahen Jahrgänge vereinbarten Übergangsregelungen sind laut BGH verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Rentenferne Startgutschriften

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 14. November 2007 in einer weiteren Grundsatzentscheidung die Umstellung vom Gesamtversorgungssystem auf das Punktemodell auch für die sogenannten "rentenfernen Jahrgänge" (Versicherte, die am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten) gebilligt. Das gilt im Wesentlichen auch für die Berechnung der Startgutschriften. Der BGH hat allerdings die Tarifvertragsparteien aufgefordert, die Bewertung der Dienstjahre mit 2,25 Prozent zu korrigieren. Daneben hat das Gericht auch Zweifel, ob bei den Startgutschriften die ausschließliche Anwendung des pauschalen Näherungsverfahrens zur Berechnung der gesetzlichen Renten - ohne die Möglichkeit, eine konkrete Rentenauskunft vorlegen zu können - verfassungskonform und mit Art. 3 Absatz 1 GG vereinbar ist.


Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 30. Mai 2008 (1 BvR 27/08) entschieden, die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06) wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung anzunehmen.


In zwei weiteren Entscheidungen vom 29. März 2010 - 1 BvR 1373/08 und 1 BvR 1433/08 - stellt das Bundesverfassungsgericht für rentenferne Pflichtversicherte klar: Eine Neuberechnung der Startgutschriften kommt ohne eine Neuregelung der Tarifvertragsparteien zu den rentenfernen Startgutschriften nicht in Betracht.


Mit den Urteilen vom 9. März 2016 (IV ZR 9/15) und IV ZR 168/15) ist der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu dem Ergebnis gelangt, die den Klägern erteilten Startgutschriften legten deren Rentenanwartschaften weiterhin nicht verbindlich fest, weil auch die geänderte Satzungsregelung zur Ermittlung der Startgutschriften rentenferner Versicherter gegen den Gleichheitssatz verstoße. Die in seinem Urteil vom 14. November 2007 festgestellte Ungleichbehandlung werde auch durch die Neuregelung der Satzung für eine Vielzahl rentenferner Versicherter nicht beseitigt.

Neuregelung der rentenfernen Startgutschriften
Am 8. Juni 2017 haben sich die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes darauf verständigt, die Eckpunkte zur Berechnung der Startgutschriften für rentenferne Versicherte neu zu regeln. Grund dafür war die im März 2016 vom Bundesgerichtshof für unwirksam erklärte bisherige Regelung.

Wie sehen die Eckpunkte der Neuregelung aus?
Die Neuregelung sieht vor, dass jede/r rentenferne Versicherte pro Pflichtversicherungsjahr mindestens 2,25 und höchstens 2,5 Prozent seiner Voll-Leistung erhält. Bisher lag der Anteil bei 2,25 Prozent. Dieser Faktor soll nun in Abhängigkeit vom Beginn der Pflichtversicherung verändert werden. Dafür dient als Berechnungsgrundlage die Zeit vom erstmaligen Beginn der Pflichtversicherung bis zum Ende des Monats, in dem das 65. Lebensjahr erreicht wird. 100 Prozent werden nun durch diesen Wert geteilt (100 Prozent / Zeit in Jahren). Handelt es sich beispielsweise um einen Versicherten, dessen Pflichtversicherung mit 24 Jahren begann, so erhält er pro Versicherungsjahr 2,44 Prozent seiner Voll-Leistung.

Wann und wie wurde die Neuregelung umgesetzt?
Am 8. Juni 2017 verabschiedeten die Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (ATV-K) in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 7 vom 8. Juni 2017.
Am 19. April 2018 wurde die Satzung der Kommunalen Zusatzversorgungskassen Westfalen-Lippe (kvw-Zusatzversorgung) entsprechend der Neufassung angepasst (5. Satzungsänderung vom 19. April 2018).
Die Startgutschriften wurden daraufhin neu berechnet. Im Jahr 2019 wurden die Pflichtversicherten über den Versicherungsnachweis informiert und die betroffenen Rentenbeziehenden haben eine Änderungsmitteilung erhalten.

Weitere Verfahren seit Mai 2020
Diese tarifvertragliche Neuregelung ist wieder zum Gegenstand gerichtlicher Verfahren geworden. Das Landgericht Karlsruhe hat am 22. Mai 2020 in insgesamt 36 Fällen entschieden, dass die geänderte Startgutschriftenregelung rechtmäßig ist. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt nach Auffassung des Landgerichts am Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitsgrundsatz), des Art. 9 Abs. 3 GG (Tarifautonomie) und des Art. 19 Abs. 4 GG (effektiver Rechtsschutz) nicht vor. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die im Jahr 2017 neu eingeführten, nach Alter gestaffelten Anteilssätze, mit dem die in den vorherigen BGH-Urteilen geäußerten Bedenken beseitigt worden sind. Insbesondere ist dem von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als zentrale Aufgabe der Tarifvertragsparteien geforderte Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit, auf die der Bundesgerichtshof Bezug genommen hat, in den neuen Übergangsregelungen Rechnung getragen worden.
Auch die unveränderte ausschließliche Anwendung des Näherungsverfahrens bei der Ermittlung der Grundversorgung begegnet nach dieser Entscheidung keinen Bedenken.
Die beklagte Zusatzversorgungskasse war hier die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) in Karlsruhe. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

(Quelle: AKA-Rundschreiben 45/2020)

Entscheidung des Oberlandesgerichtes Karlsruhe vom 30.11.2021

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat am 30.11.2021 mit mehreren Urteilen über die Startgutschriften von rentenfernen Versicherten der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) entschieden. Nachdem die ursprüngliche und auch eine geänderte Satzungsbestimmung zur Berechnung der Startgutschriften solcher Versicherten von den Gerichten für unwirksam erklärt worden waren, einigten sich die Tarifvertragsparteien auf eine nunmehr dritte Fassung. Diese hält nach Ansicht des OLG Karlsruhe der rechtlichen Kontrolle stand.

Die Satzungsregelungen zur Startgutschrift von rentenfernen Versicherten wurden sowohl in der Ursprungsversion des Jahres 2002 als auch in der geänderten Fassung des Jahres 2012 von den Gerichten beanstandet.

Mit der nunmehr zweiten Anpassung aus dem Jahr 2018 wurde die Berechnungsweise zu Gunsten dieser Beschäftigten verbessert. Die letzte Neuregelung behebt nach den jüngsten Entscheidungen des OLG Karlsruhe den Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot und ist auch im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Klagen auf Gewährung einer höheren Zusatzrente blieben somit ohne Erfolg. Die Urteile sind nicht rechtskräftig, da die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen wurde. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen inzwischen vor und sind hier einsehbar.

Urteile des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30.11.2021, Az. 12 U 112/20,12 U 88/20 u. a.

(Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 30.11.2021)

Bestätigung der rentenfernen Startgutschriften durch den Bundesgerichtshof (BGH)

Der IV. Zivilsenat des BGH hat die Wirksamkeit der im März 2018 erneut geänderten Startgutschriftenregelung für rentenferne Versicherte mit seinem Urteil vom 20.09.2023 bestätigt. Der BGH sah keine Verstöße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz oder eine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts oder Alters.

Die Reform der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes aus dem Jahr 2002 ist somit nach über 20 Jahren abgeschlossen.

(Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 20.09.2023)

 

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